Ernährungssouveränität – Zusammenfassung zum letzten TK-Treffen

(fk) Beim ersten Tauschkreistreffen nach den Sommer am 5. Sept. haben wieder an die 40 Mitglieder und Interessierte teil genommen.
10 haben sich neu als Mitglied angemeldet. Ich denke, im Rahmen einer eigenen Vorstellungsplattform soll Neumitgliedern die Gelegenheit geboten werden sich bekannt zu machen.

Dem Interesse an einer qualitativen Selbstversorgung wurde mit einem Beitrag von Fritz zur Ernährungssouveränität ein zusätzlicher Impuls gesetzt. (siehe Anhang)
Bereits tags darauf hielt Heinrich einen Vortrag im Pfarrzentrum Gneis. Weitere werden folgen – am 1. Mittwoch im Oktober wird Evelyn einen Beitrag gestalten.

Mittlerweile hat sich auch schon eine Initiativegruppe „Garten“ organisiert, in der Ideen entwickelt werden, wie man gemeinsam von Tauschkreismitgliedern verfügbare Gärten nutzen und gestalten kann.
Das nächste Treffen findet am Donnerstag 27. September um 17:30 bei Rudi statt.
Informationen dazu gibts bei Bernhard (S077).

Zusammenfassung vom Vortrag und Diskussion:
Beim Thema Ernährungssouveränität geht es für mich darum, dass möglichst viele Menschen die Qualitätsentscheidung, das Recht für die Produktionsbedingungen und die Organisation für die Verfügbarkeit ihrer Ernährung selbst in die Hand nehmen.
Ich hatte Gelegenheit, Fritjof Capra (Physiker, Philosoph und Buchautor mit ganzheitlich
systemischer Sichtweise) kürzlich anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums des Kulturvereins bei seinem Festvortrag zu hören. Capra hatte ja ebenfalls vor 30 Jahren sein viel beachtetes Buch „Wendezeit“ geschrieben, in dem er (sowie auch der Club of Rome) die Gefahr der Vernichtung unserer Lebensgrundlagen beschrieb. Die Menschheit hätte heute nur mehr eine Chance durch eine radikale Abkehr von einer Volks-wirtschaft der Zerstörung und Vergeudung. Ein Paradigmenwechsel sei notwendig, der die Ausbeutung von Natur und Mensch durch Kapitalismus, Patriarchat, Imperialismus und Militarismus ablöst und sich stattdessen mehr auf die Grundwerte Erhaltung, Kooperation, Partnerschaft, Qualität, kurz einen respektvollen Umgang mit Mensch, Natur und
Umwelt stützt.

Capra betont u.a. die Wichtigkeit des grundlegenden Verständnisses der Organisationsprinzipien, wie sie in der Natur wirken sowie die Nutzung von funktionalen Netzwerken. Hier setzt er vor allem auf die Vernetzung und verstärkte Einflussnahme der NGOs (Nichtregierungsorganisationen) durch Bewusstseinsbildung und erfolgreiche Förderung qualitativer Entscheidungsprozesse.
Statt eines irrationalen linearen quantitativen Wachstums, das noch immer von den politischen „Eliten“ gefordert wird, braucht es neue Regeln im Sinne der „Global-Justice“-Bewegung (für globale Gerechtigkeit auf vielen Ebenen). Nur so könne der Automatismus eines außer Kontrolle geratenen computergesteuerten parasitischen Finanzsystems mit dem einzigen Ziel der Macht- und Profit-maximierung gestoppt werden. Statt sich an Parametern des BIP (Bruttoinlandsprodukt) oder an Aktienkursen zu orientieren, die den Wachstumszwang als Zerstörungs- und Vergeudungs-
wirtschaft forcieren und außer Profiten für einige wenige nur Naturzerstörung, Demokratieverlust, Ressourcenvergeudung, wachsende Armut und Entfremdung bewirken, braucht es endlich ein qualitatives, ökologisches und soziales Wachstum.
Wir alle erleben täglich die fragwürdigen Ergebnisse der Wachstumswirtschaft deren Erzeugnisse mit manipulierten Ablaufdaten und Haltbarkeiten die Abfallcontainer vor Großmärkten und Wohnhäusern füllen, die industriellen Müllberge und die Endlagerung des Giftmülls außer Kontrolle geraten lassen und durch den immer noch wachsenden Schadstoffausstoß unsere Atmosphäre zerstören. – Das alles spiegelt sich absurder Weise in positiven Wirtschaftskennzahlen.
(So weit die Anknüpfung an den Vortrag von Capra.)

Auch im agrarischen Bereich ist es eine überwiegend industrialisierte Landwirtschaft, die von wenigen transnationalen Konzernen und einer kleinen Gruppe von mächtigen Handelsketten kontrolliert wird. Für diese schafft dieses System enorme Profite.
Aus einer globalen Perspektive versagt dieses Modell aber darin, Nahrungsmittel bereitzustellen, die den Menschen nützen sowie gesund und erschwinglich sind. Stattdessen verschiebt sich der Fokus immer stärker auf die Produktion von Rohstoffen für Agrartreibstoffe, Futtermittel und die industrielle Verwertung. Global und auf längere Sicht bedroht dieser Landraub die Versorgung von immer mehr Menschen, ehemals fruchtbare Natur- und Kulturlandschaften bleiben nach kurzer Zeit verwüstet und unbrauchbar zurück.
Das industrielle Produktionsmodell ist enorm von endlichen fossilen Treibstoffen und chemischen Hilfsmitteln abhängig und erkennt die Begrenztheit der Ressourcen wie Boden und Wasser nicht an. Industrielle Landwirtschaft ist wesentlich verantwortlich für den drastischen Verlust von Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit und trägt zum Klimawandel bei. Sie entfremdet uns immer mehr von einem respektvollen und nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Dass die Erde in einer solchen Art und Weise behandelt und ausgebeutet wird, ist durch die globale Zerstörung der Lebensgrundlagen die wesentliche Ursache für Armut im ländlichen Raum und den Hunger und Durst, unter dem mehr als eine Milliarde Menschen weltweit leiden.
Diese „Zukunftslosigkeit“ führt zur systematischen Verarmung von Millionen von Menschen, für die es auf dem globalen Marktplatz keinen Platz gibt – die so genannten „Überflüssigen“ werden in Ghettos und wachsende Slums gedrängt.
Menschen werden in Jobs gedrängt, in denen ihre grundlegendsten Rechte nicht anerkannt werden.
Dies führt vor allem in unseren Importländern zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von BäuerInnen und ArbeiterInnen, im Besonderen von MigrantInnen, die die Funktion von schlecht behandelten Arbeitstieren ausüben, wo Maschinen nicht einsetzbar sind, um die Produktionskosten möglichst gering zu halten. – Gleichzeitig wird ein Überschuss an industriellen Nahrungsmitteln geschaffen, der entweder im Abfall landet oder Märkte innerhalb und außerhalb Europas überschwemmt und damit die lokalen Produktionen zerstört. Dies wird begünstigt durch die vorherrschende Handels- und Entwicklungspolitik der EU, der Welthandelsorganisation WTO und anderen.

In der anschließenden Diskussion wurden eine Reihe von Maßnahmen genannt, die uns einen individuellen Handlungsspielraum eröffnen:
Sei es durch die persönliche und bewusste Kaufentscheidung, bei der man immer auf die Herkunft und Qualität der Produkte achtet und sich nicht durch Schnäppchenpreise, Sonderangebote und vermeintliche Preisvorteile durch Großpackungen verleiten lässt.
Auch bei einem knappen Budget ist es oft sinnvoller, sich nicht an scheinbar günstigen Angeboten zu orientieren sondern zu schauen, was dem eigenen Körper und der Gesundheit gut tut.
Gesündere und nahrhaftere Kost ist, vor allem wenn man die Vermeidung gesundheitlicher Folgeschäden durch Fehlernährung miteinbezieht, meistens nicht teurer, als vorwiegend industriell produzierte Nahrung.
Natürlich wird auch versucht, mit Bio ein Geschäft zu machen, auch hier lohnt es sich, sich über die Zertifizierung zu informieren und beim Anbieter des Vertrauens zu kaufen.
Vielfach empfiehlt es sich für den Einkauf soziale Netzwerke zu nutzen. – Sich gemeinsam informieren, gemeinsam einkaufen oder sogar gemeinsam produzieren und kochen kann bei besserer Qualität günstiger kommen und auch noch eine Menge Spaß bereiten.
Gerade auch in dieser Hinsicht lässt sich das Netzwerk des Talente-Tauschkreises vielfältig nutzen. Für den gegenseitigen Informationsaustausch und die Organisation von gemeinsamen Aktivitäten.
Mittlerweile hat sich auch schon eine Initiativegruppe „Garten“ organisiert, in der Ideen entwickelt werden, wie man gemeinsam von Tauschkreismitgliedern verfügbare Gärten nutzen und gestalten kann.